Schachspiele in Ostasien: Xiangqi, Changgi, Shogi: Quellen zu ihrer Geschichte und Entwicklung bis 1640


Muenchen, iudicium 2001; ISBN 3-89129-656-8; xix, 233 S., kt.; DM 58,--; (EUR 29,65)


Hinweis: Des chinesischen Zeichensatzes wegen werden die deutschen Umlaute als ae, oe, ue, AE, OE, UE wiedergegeben! Aus demselben Grund werden die japanischen Langvokale als einfache Vokale dargestellt.
In der europaeischsprachigen Literatur zur Schachgeschichte wird oft behauptet, das Schachspiel stamme aus Indien. In einer nennenswerten Minderheit von Texten werden dagegen Persien, China oder die Region um die Seidenstrassen als Herkunftsregion des Schachspiels genannt. Allen diesen Texten ist gemeinsam, dass die Verfasser sich in der Regel auf chinesische Texte stuetzen, ohne Zugang zu den Texten in der Originalsprache gehabt zu haben. AEhnliches gilt fuer schachgeschichtliche Texte, die sich mit der Geschichte und Entwicklung des Changgi 將棋 oder des Shogi 將棋 befassen. In dieser Arbeit werden die Quellen, die Auskunft zur Geschichte und Entwicklung dieser Spiele geben koennen, untersucht und auf ihren Faktengehalt ueberprueft.
Bei den fruehesten chinesischen Quellen, in denen eine Kombination der Schriftzeichen xiang 象 und qi 棋 zu finden ist, dem "Zhaohun 招魂" und dem Shuoyuan 說宛, muss man davon ausgehen, dass mit dieser Zeichenkombination noch "Spielsteine aus Elfenbein" bezeichnet werden. Bisher ist keine Quelle bekannt, die Auskunft zu einem Spiel "Xiangqi 象棋" geben kann und die auf eine fruehere Zeit als das fruehe 9. Jahrhundert datiert werden kann. Die Geschichte "Cen Shun 岑順" aus dem Xuanguai lu 玄怪錄 und ein Gedicht des Bo Juyi 白居易 zusammengenommen legen nahe, dass das Wort Xiangqi in der Tang 唐-Zeit bereits ein Brettspiel bezeichnet. Die Quellen erlauben aber keine hinreichend gesicherte Rekonstruktion. Beginnend mit der Noerdlichen Song 宋-Zeit wird die Zahl der Quellen zum Xiangqi dann stetig groesser. Aus derselben Zeit stammen die fruehesten bekannten Xiangqi-Spielsteine: drei vollstaendige Saetze von 32 metallenen Spielsteinen, die auf einer Seite mit Schriftzeichen, auf der anderen Seite mit Bildern markiert sind. In der Suedlichen Song 宋-Zeit folgen beilaeufigen Erwaehnung des Xiangqi Beschreibungen, aus denen sich entnehmen laesst, dass das darin beschriebene Spiel mit dem modernen Xiangqi praktisch identisch gewesen sein duerfte. Von der Noerdlichen Song- Zeit an wurden Lehrbuecher und theoretische Schriften zum Xiangqi verfasst; die aeltesten erhaltenen Schriften dieser Art stammen aber aus der spaeten Suedlichen Song-Zeit.
Die frueheste Erwaehnung des Changgi 將棋 stammt aus dem spaeten 16. Jahrhundert, die aelteste Beschreibung des Changgi aus dem fruehen 17. Jahrhundert; da das dort beschriebene Spiel praktisch identisch mit dem modernen Changgi ist, kann zur Entwicklung des Changgi gegenwaertig keine Aussage gemacht werden.
Das Shogi wird zuerst im fruehen 11. Jahrhundert erwaehnt. Spielsteine der dort beschriebenen Art, die mit den heute gebraeuchlichen Steinen voellig uebereinstimmen, sind bei Grabungen am Kofukuji 興福寺 in Nara 奈良 gefunden und auf 1058 datiert worden. Weitere Erwaehnungen des Shogi sind im Shinsarugakki 新猿學記 sowie in Tagebuechern des 12. Jahrhunderts zu finden, allerdings werden keine Einzelheiten genannt. Im Nichureki 二中歷 des fruehen 13. Jahrhunderts werden dann ein kleines und ein grosses Shogi-Spiel beschrieben. Aus derselben Zeit stammt die frueheste bildliche Darstellung des Shogi auf einem Teilbild des Choju giga 鳥獸戲畫. Die Verbreitung einer neuen Form des grossen Shogi dokumentieren ein Abschnitt aus dem Futsu shodoshu 普通唱導集 und die bei Tsuruoka 鶴岡 gefundenen Spielsteine. Das Yugaku orai 遊覺往來 erwaehnt schliesslich ein mittleres Shogi. Dieses Chu-Shogi 中將棋 wird bereits vorher in Tagebuechern erwaehnt, wie ueberhaupt das ganze 15. und 16. Jahrhundert hindurch immer wieder Eintraege zum Shogi in Tagebuechern auftauchen. Im Shogi rokushu no zushiki 將棋六種之圖式 werden weitere grosse Shogi-Varianten beschrieben. Dem Shogi koma no nikki 將棋馬日記 kann entnommen werden, dass im spaeten 16. und fruehen 17. Jahrhundert Spielsteine fuer die grossen Shogi-Varianten hergestellt wurden. Das moderne Shogi hat sich spaetestens in der zweiten Haelfte des 16. Jahrhunderts entwickelt und setzte sich mit der Gruendung des Shogi-Dokoro 將棋所 als Standardvariante durch.
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